Mir wurde die Ehre zuteil, die meiste Zeit meiner Kindheit
auf der Burg meines Oheims, dem Herzog von Weiden,
Waldemar dem Bären, gelebt und gelernt zu haben. Dort
wurde mir schon früh deutlich, daß das feine Leben
am Hofe nicht für mich bestimmt sein konnte. Die Kampfeskunst
lag mir weit mehr als die des Stickens oder Nähens und
ich identifizierte mich mehr mit Rondras Idealen als mit denen von
Travia oder Tsa. Vielleicht wurde ich auch durch mein Idol
meiner Kindheit, Walpurga von Trallop, beeinflußt.
Zwar ist sie einige Jahre älter als ich, doch verbrachten
wir recht viel Zeit gemeinsam.
Mein Vormund behandelte mich fast wie eine zweite Tochter.
Vielleicht aus Mitleid, da meine Eltern mir nicht viel Liebe
entgegen brachten. Mein Vater und meine Mutter standen meinem
Entschluß, daß ich auf eine Kriegerakademie wollte,
sehr entgegen, doch der Herzog setzte sich für mich ein.
Er hatte es sogar sehr begrüßt, daß seine Walpurga
sich damals Rondras Pfaden zuwandte. Er konnte meinen Vater überreden,
der dann jedoch darauf bestand, die Akademie zu bestimmen.
So kam es, daß ich fort an die Akademie der Kriegs- und
Lebenskunst zu Vinsalt besuchte.
An der Akademie begann eine schwierige aber auch sehr
erfüllende Zeit. Mir schwanden nun die letzten Zweifel,
die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Viele Sommer vergingen, bevor ich endlich die Ehre hatte,
den Kriegerbrief zu erhalten. Insgeheim hatte ich zwar gehofft,
daß meine Eltern zu den Abschlußfeierlichkeiten
erscheinen würden, doch sie blieben fort. Nur ein Schreiben meines
Oheims, der mir in seinem und in dem Namen meiner Eltern
Glückwünsche sandte. So ritt ich einige Tage später
zurück zur Burg meiner Kindheit, der meines Oheims.
Voller Vorfreude meinen Kriegerbrief meiner Familie zu zeigen,
galloppierte ich jubelnd in den Burghof. Dort sah ich in das
ernste Gesicht des Herzogs, der mich sogleich rügte, daß
ich wohl immer noch nicht erwachsen geworden sei und
nicht gelernt habe, mich meines Standes würdig zu verhalten.
Ich wollte ansetzen zu erklären, warum ich mich so verhalten
hatte. Doch seine Mimik ließ mich abbrechen.... den Kriegerbrief
wollte er sodann auch nicht sehen.
Ich muß gestehen, dieses kühle, wahrscheinlich berechtigte
Empfangen enttäuschte mich mehr, als das nicht Erscheinen meiner
Eltern bei den Feierlichkeiten. Ich blickte der Realität ins Auge,
ich habe in Waldemar einen Ersatzvater gesucht, doch ich war für
ihn seine Nichte, nicht mehr aber auch nicht weniger.
Ich machte meinen Höflichkeitsbesuch bei meinen Eltern. Unerwartet,
das muß ich eingestehen, wurde ich von meinen Eltern freudig
empfangen. Insgeheim hatte ich befürchtet, daß wieder
ausweglose Diskussionen über meine Zukunftsansichten anstehen
würden. Mein Vater schenkte mir sogar den wunderschön
gearbeiteten Rondrakamm namens "Flammenzahn", den er von seinem Vater
vererbt bekommen hatte. Voller Stolz hielt ich dieses wertvolle
Familienstück in der Hand! Wie oft hatte ich heimlich die Truhe
meines Vaters geöffnet, nur um es in kindlicher Ehrfurcht
genauer anschauen zu können! Wie oft bin ich mit den Fingern
über die Verzierungen und Rondras Blitzstrahl der Arivorer Schmiede
gefahren und wie oft habe ich es dann wieder blank poliert, um meine
Spuren zu verwischen! Das war wohl das erste mal, daß meine
Eltern mich sprachlos gesehen hatten.
Ich blieb noch einige Wochen, dann zog ich aus, um meine Dienste als
Kriegerin anzubieten.
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