Vor langer, langer Zeit war der Neunaugensee nur umgeben
von saftigen Weiden, auf denen das Vieh prächtig gedeihte
und von dichten Wäldern, in denen eine große Zahl Wild lebte,
das dem Jäger eine reiche Beute versprach. Niemand hätte
damals gedacht, daß dort ein trostloses Moor entstehen würde.
Zu jener Zeit nahm ein Jäger einen Säugling, den er verlassen
im Wald fand, arglos zu sich auf. Es sollte sich jedoch
herausstellen, daß trotz der liebevollen Fürsorge, die er und
seine Frau, dem kleinen Kind entgegenbrachten, das Kind zu einem
mürrischen und heimtückischen Mädchen heranwuchs. Stets wollten
sie es nicht war haben, daß es ihre Tochter sein sollte, die
die eine oder andere Abscheulichkeit begang.
Als sie zum wiederholten Male dabei ertappt wurde, ein Lamm zu
Tode zu schlagen, weil sie das Gemecker des armen Tieres nicht mehr
hören wollte, war sich die Dorfgemeinschaft sicher, daß sie
eine Hexe sei. Beweis genug seien ja schon ihre grünen Augen
und die feuerroten Haare.
Die Pflegeeltern aber, die trotz allem das Mädchen liebgewonnen
hatten, konnten das Schlimmste verhindern und die anderen überzeugen,
daß es doch genüge, wenn man das Mädchen aus dem Dorf verstieße.
Fortan jedoch verfaulte sämtliche Ernte und kein Tier war mehr
lebend geboren. Erneut war sich das Dorf einig, daran sei die
Hexe schuld. Es sei ein Fehler gewesen, sie nicht gleich dem Feuer zu
übergeben.
So brach der aufgebrachte Mob mit Heugabeln und Dreschflegel
in die Wälder auf, in denen das Mädchen zuletzt gesehen wurde.
Doch kaum waren sie tiefer in den Wald vorgedrungen, kam ein
derart dichter Nebel auf, daß sie sich verliefen und nicht
bemerkten, daß sie im Kreise liefen.
Die Frauen und Alten, die im Dorf zurückgeblieben waren, begannen
nach einigen Tagen, sich Sorgen um ihre Männer zu machen
und baten ihren Lehensherrn
um Hilfe. Dieser war ein Praios gefälliger Mann und schickte
sogleich ein Kriegertrupp von 100 Mann, um der Hexe den Garaus
zu machen.
Die erfahrenen Krieger markierten alle paar Schritte, die
sie taten, die Bäume mit Pfeilen, um sich nicht
auch im Nebel zu verirren.
Da begann es so stark zu regnen, wie es nie zuvor in Weiden
geregnet hatte. Die Wiesen und Wege verwandelten sich in
Schlick und Tümpel. Der Trupp kam nun kaum mehr voran und
beschloß, in einer großen Felshöhle das Unwetter abzuwarten.
So warteten sie Tag um Tag, bis ihre Vorräte sich dem Ende
zuneigten und sie gezwungen waren weiterzuziehen.
Inzwischen jedoch war der Schlick zu dickem Morast geworden,
der jeden, der die Höhle verließ, hinunter in den Tod sog.
Hunger trieb einen Krieger nach dem anderen hinaus in das
Moor und hinein in seine Verdammnis.
Obwohl dies schon vor langer, langer Zeit geschah, gilt der
Ort, der uns derzeit als Nebelmoor bekannt ist, bis zum
heutigen Tage als verflucht. Es heißt, daß noch immer Hexen
dort Zuflucht suchen und dort von schwarzer Magie
beschützt werden. Jene wenigen Überlebenden, die sich in
das Moor verirrten und das große Glück hatten, wieder
hinauszufinden, wissen von unheimlichen Irrlichtern oder gar
von einer Geisterarmee zu berichten. Wer weiß, vielleicht sind
dies die Seelen der verirrten Dorfbewohner und der im
Sumpf versunkenen Krieger. Hütet Euch vor diesem gottlosen
Ort oder auch Eure Seelen werden auf ewig dort rastlos durch
die Nebel ziehen.
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