Nachdem man mich in eine Kammer zum Ruhen brachte, gab man mir
einen Heiltrank, auf daß meine Wunden schnell heilen würden. Kaum hatte
ich ihn getrunken, schlief ich ein. Ich erwachte erst am nächsten Tag, als
die Praiosscheibe schon hoch am Himmel stand und schaute in das besorgte
Gesicht der kleinen Rondriga. Doch ich beruhigte sie, daß ich wegen eines
Trankes so fest geschlafen habe und daß meine Wunden schon recht gut
verheilt waren.
Rondriga erzählte mir, daß Isora von Elenvina sie in Winhall in
Gewahrsam genommen hatte, sie ihr aber entwischen konnte. Kyriani und
Sheela sind mir hinterher geritten, während sie mit Alanon und Schleicher
versucht hatte, ihre Familie zu finden. Doch der Turm ihres Großvaters
war verlassen. Sie wisse nicht, wo sie sein könnten. Sie ist dann
zusammen mit Alanon und Schleicher hergekommen.
Später hatte ich eine Besprechung mit meinem Tempelvorsteher. Ich berichtete
ihm von den Orkscharen, die ich im Talkessel zwischen den Koschbergen und
dem Finsterkamm gesehen hatte. Er vermutete, daß sie wohl in Richtung Süden
ziehen würden, woraufhin ich entgegnete, daß noch vor ein paar Tagen der Weg
von den Koschbergen nach Winhall frei war.
Ich erkundigte mich, ob er von dem Machtwechsel in Winhall informiert sei
und erzählte ihm, daß unser Auftrag uns nach Winhall geführt hatte, da wir
die Tochter des Edlen Raidri Conchubairs zu ihrer Familie zurückbringen
sollten. Doch ihre Familie scheint aufgrund der politischen Situation sich
dort zurückgezogen zu haben. Leider wußte der Hochgeweihte auch nichts über
deren Aufenthaltsort.
Ich fragte ihn, ob es nicht möglich sei, Rondriga
zu ihrem Schutz, da Isora von Elenvina hier in Havena zugegen war,
für einige Zeit hier im Tempel unterzubringen. Wir waren uns einig, daß
dies nicht unbedingt der geeignetste Ort für sie wäre. Doch er wolle eine
Ausnahme machen, da ihr Großvater kein geringerer war als der mächtige
Rohezahl und da er wohl nicht gefunden werden will, würde dies auch nicht
leicht sein. Sogleich wies er zwei Geweihte an, Rondriga her zu bringen.
Schließlich fragte mich der Tempelvorsteher, was ich denn denke, für
die Rondrakirche tun zu können. Daraufhin entgegnete ich, daß ich mir
vorstellen könnte, in den Kampf gegen das Orkheer zu ziehen.
Aber er wies mich zurecht, daß es nicht der Sinn eines Geweihten ist,
sein Leben leichtfertig zu riskieren, sondern besonders viele Heldentaten
zu verrichten.
Er erzählte mir von Junivera, einer ehemaligen Ordensschwester, die
sich freiwillig ins Exil tief ins Orkland begeben hat, um von dort die
Lage zu beobachten. Sie hat ihr Lager vor zehn Jahren an der
südlichen Quelle des Bodir errichtet. Zwei junge Geweihte wurden
vor zwei Monden dorthin entsandt, um Bericht zu erstatten.
Jedoch hat man seither nichts mehr von ihnen gehört. Er fragte mich,
ob ich mich der Aufgabe gewachsen fühle, zum Bodir zu reisen und zu
berichten, was dort vorgefallen ist. Ich antwortete ihm, daß es mir
eine Ehre sein würde. Ich solle, da die Situation dort nicht bekannt
ist, selber entscheiden, wem ich von dort aus Bericht erstatten würde.
Natürlich sei ein Lebenszeichen nach Havena ebenfalls erwünscht.
Nach dem Abendgebet bekam ich wieder einen Heiltrank und schlief auch
diesmal sofort ein und wachte am nächsten Tag wieder recht spät auf.
Erfreut sah ich, daß Rondriga an einigen Schwertübungen teilnahm und
sich als erstaunlich talentiert erwies. Vielleicht war sie hier doch
nicht so falsch am Platz.
Gegen abend bekam ich Besuch von Allanon. Er bat mich, ein Buch für
ihn aufzubewahren. Es war in einer mir unbekannten Schrift geschrieben.
Nachdem er mir versprochen hatte, daß es nichts mit dem Namenlosen
zu tun hatte, nahm ich es an mich. Er erzählte mir, daß er am frühen
Morgen mit einem Schiff nach Andergast aufbrechen wolle. Kyriani
wolle auch mitkommen. Ich schlug
ihm vor, daß ich fragen würde, ob ich auch bereits mit diesem Schiff
zu meinem Auftrag aufbrechen könnte, da Andergast auch auf meinem
Weg läge.
Der Tempelvorsteher hatte keine Einwände. Ich befand mich leider
in der unangenehmen Situation derzeit kein Geld bei mir zu haben,
da dieses wohl bei einem der Stadtwächter oder Kerkermeister
verschwunden ist und bat um etwas Geld, das ich für den Auftrag
benötigen würde. Daraufhin erkundigte er sich, ob ich denn ein Reittier
hätte, was ich verneinen mußte. Das war schon recht unangenehm für
meinen Adelsstand.
Ich beauftragte einen Novizen, mich zur vierten Morgenstunde zu
wecken und ja hartnäckig darauf zu achten, daß ich auch aufstehe
und rechtzeitig aufbreche, da ich durch den Heiltrank, den ich wieder
trinken sollte, wohl damit meine Schwierigkeiten haben könnte.
Wie durch eine dicke Wand drang eine Stimme langsam in mein Bewußtsein
vor, während irgendetwas an mir rüttelte. Es dauerte eine Weile bis ich
mich erinnerte, daß ich aufstehen mußte und mir bewußt wurde, daß ich
wohl gerade geweckt wurde. Wie benommen kleidete ich mich an und packte
meine wenigen Sachen. Der Novize gab mir einen kleinen Beutel mit
fünf Dukaten und führte mich in den Stall, wo mich ein Geweihter
erwartete. Er gab mir die Zügel eines prächtigen, schwarzen Rappen
in die Hand und langsam sickerte der Sinn seiner Worte durch mein
noch immer getrübtes Bewußtsein. Der Rappe hieß Berserker und mache
wohl seinem Namen alle Ehre. Es sei sehr schwierig, sein Temperament
zu zügeln und ihm zu zeigen, wer das Sagen hätte. Dann überreichte er
mir eine Waffe - die Kralle der Leuin.
Nachdem ich mich auf dem Schiff davon überzeugt hatte, daß Berserker
gut untergebracht und versorgt wurde, ließ ich mich in die Hängematte
fallen, die mir zugewiesen wurde und war sofort eingeschlafen.
Irgendwann wachte ich mit einem flauen Gefühl im Magen und in der
Hängematte schaukelnd auf. Ich ging zu Berserker und begrüßte ihn.
Wenn er so ein Dickschädel war, mußte ich ihn sich früh an mich
gewöhnen lassen. Danach suchte ich Kyriani und Allanon auf.
Auch sie hatten einige Probleme mit der Seefahrt. Doch in nächsten
Tagen gewöhnte sich der Magen etwas daran.
Wir legten für einen Nachmittag in einer Hafenstadt an. Ich erfuhr, daß es
hier einen sehr bekannten Tätowierer gab. Ich hatte in den letzten Tagen mit
dem Gedanken geliebäugelt, meine Drachentätowierung so erweitern zu lassen,
daß der Drache mit einer Löwin kämpft. Nachdem ich Berserker an Land
geführt und mit ihm beim Reiten die ersten Machtkämpfe ausgestritten hatte,
stattete ich dem Tätowierer einen Besuch ab. Er war ein Elf, der sein
Handwerk - oder war es mehr als das? - meisterlich verstand. Zwar hatte er
seinen Preis, doch das Ergebnis war diesen wert. Mir ist es ein Rätsel, wie
er den schon bestehenden Teil derart abwandeln konnte, daß dieser nun
genauso fein gearbeitet war wie die neue Löwin und daß Drache und Löwin
sich so im Kampf umschlangen, als ob sie es schon immer getan hätten.
Wieder auf dem Schiff zurück, ging es auf dem Fluß weiter nach Andergast,
wo uns Allanon seiner Familie vorstellte und wir zwei Tage verweilten.
Seine Mutter hätte uns gerne noch länger willkommen geheißen, doch wir
mußten weiter. Zwei Tage waren mir schon Verzögerung genug. Daher
erkundigten wir uns, wie man am besten ins Orkland gelangte. Bis zu den
Grenzen war dies auch bekannt, doch weiter hinaus konnte dies uns keiner so
recht sagen. Wir entschieden uns für den längeren Weg, der durch einen
Pass führen sollte und für die Pferde, der leichtere zu sein versprach.
Kaum näherten wir uns dem Orkland, stießen wir auf ein niedergebranntes
Dorf. Den Pass erreicht, fanden wir Spuren von unbeschlagenen Pferden,
die in die Richtung führten, in die wir wollten. Als wir nachts unser
Lager im Schutz der Bäume aufschlugen, hörten wir Trommeln in der Ferne.
Der beunruhigende Rythmus der Orktrommeln, ließ uns nur in einen leichten,
unruhigen Schalf sinken.
In der Frühe ritten wir weiter. Unweit entdeckten wir Wagenspuren,
die auf den Weg trafen. Sie waren älter als die Pferdespuren. Natürlich
machten wir uns Sorgen, um die Leute, die diesen Wagen begleitet hatten,
denn bestimmt hatten die Orks die Spuren ebenfalls gesehen. Achtsam
ritten wir weiter. Als der Tag sich neigte, vernahmen wir wieder
Trommelschläge. Wir kamen immer näher und die Trommeln wurden immer lauter.
Unter dem Lärm der Trommeln waren gequälte Schreie zu hören.
Schließlich sahen wir eine Rauchsäule vor uns aus dem Wald emporsteigen.
Allanon kletterte auf einen Baum. Der Rauch sei keine 200 Schritt entfernt,
berichtete er uns.
Während Kyriani auf unsere Pferde achtgab, schlichen Allanon und ich
an das Orklager heran. Wir sahen etwa 25 Orks, ein großes Feuer und Menschen.
Davon waren einige gepfählt und einige anderweitig grausam zugerichtet.
Ein Ork war gerade dabei unter Gejubel der anderen einen noch lebenden Mann
langsam aufzuschlitzen. Wir brauchten schnell einen Plan, daher schlichen
wir zu Kyriani zurück. Auf dem Weg zu ihr liefen uns zwei Orks entgegen,
die wir leise erledigten. Mit Kyriani zusammen überlegten wir, daß ein
Illusionszauber, der einen Drachen vorgaukelte, die Orks bestimmt
zerstreuen würde, sodaß wir nicht gegen alle Orks gleichzeitig kämpfen
müßten.
Unsere Pferde zurücklassend, schlichen wir drei zum Orklager vor.
Allanon ließ das Drachenbild neben dem Opfer, das gerade gequält wurde,
entstehen. Da es aber nur ein unbewegtes Bild war, erzeugte er auch ein
Gebrüll, daß aus der Richtung des Drachen kam. Trotzdem liefen nur zwei Orks
weg, während vier sich langsam zum Drachen bewegten und der Rest wie
angewurzelt stehen blieb. Allanon schleuderte einen Flammenstrahl auf einen
der Orks, der sofort lichterloh brannte. Daraufhin ergriffen fünf weitere
Orks die Flucht. Doch es waren immernoch 17. Also setzte Allanon
noch einen drauf: Mitten in dem großen Lagerfeuer krachte plötzlich
ein lauter Donnerschlag, das Feuer loderte hoch
auf und brennendes Holz flog durch die Luft. Da rannten die meisten
Schwarzpelze aus dem Lager... nur fünf blieben! Jetzt war unsere beste
Chance und wir griffen an. Schnell waren die fünf Schwarzpelze erledigt.
Allanon sah, wie ein davongelaufener Ork zurückschaute und feuerte
einen Flammenstrahl auf ihn.
Doch wir hatten keine Zeit zu verlieren. Jederzeit konnten die anderen
Orks unseren Angriff entdecken und zurückkommen. Wir rannten zu den
Gefangenen. Doch nur noch einer war am Leben, wenn auch verletzt
und nicht ansprechbar. Wir nahmen uns eines der Orkpferde und
banden ihn darauf fest. Die anderen Pferde jagten wir davon. Dann eilten wir
zu unseren Pferden zurück. Notdürftig verbanden wir seine Wunden, um
zumindest die Blutungen zu stoppen.
Da wir noch im Pass waren, führte kein Weg am Orklager vorbei, sodaß
wir so schnell, wie wir unseren Pferden in der Dunkelheit zumuten konnten,
hindurch ritten. Dort war kein Ork zu sehen. Noch etwa eine Stunde trieben
wir unsere Pferde schnell voran, bevor wir im langsamerem Ritt
nach einer versteckten Stelle suchten, wo wir unsere dringend
benötigte Rast halten konnten. Hinter einem Felsen etwas abseits
des Weges war das Beste, was wir finden konnten. Während Kyriani
versuchte, unsere vom Weg wegführenden Spuren zu verwischen, kümmerte
ich mich um die Wunden des Opfers. Dann erst versorgten wir unsere
eigenen Wunden.
Ich hielt die zweite Wache. Nach einer ganzen Weile hörte ich
Schritte vom Weg her: Zwei Orks mit Fackeln. Sie versuchten die
Spuren auf dem Weg zu lesen. Leise weckte ich Allanon. Zusammen
beobachteten wir, wie die beiden an uns vorbeigingen. Dann kam
ein weiterer Schwarzpelz, der drei Orkponys mit sich führte.
Dieser blieb an der Stelle stehen, an der unsere Spuren abgingen.
Sein Blick schwenkte in unsere Richtung und er entdeckte uns.
Doch bevor er die anderen herbeirufen konnte, zauberte Allanon
eine Stille herbei, während ich zum Angriff überging. Mit wenigen
Streichen Flammenzahns war er erledigt. Wir rollten ihn vom Weg
und den Abhang hinunter, der leider nur etwa zwanzig Schritt tief
war.
Wir weckten Kyriani, da wir die anderen beiden Orks auch erledigen
wollen. Bestimmt würden sie bald das Fehlen des dritten bemerken.
Allanon blieb bei dem Verletzten. Kyriani und ich eilten leise den
beiden Schwarzpelzen hinterher. Erst kurz bevor wir sie erreicht
hatten, bemerkten sie uns. Wir steckten einige Schwerthiebe ein,
doch wir konnten sie besiegen.
Es schien erstmal kein weiterer Ork zu folgen, daher legten
wir uns wieder schlafen, während Allanon Wache hielt.
Irgendwann weckte mich Allanon und berichtete, daß fünf Orks zu
Pferd den Weg hinunter kämen. Leise krochen wir zum Felsrand und
schauten hinunter: Zwei sicherten hinten den Weg und zwei vorne.
Der Fünfte stieg ab und schaute sich die Spuren an.
Ich hörte Allanon irgendetwas von "Blitz" und "blind werden"
flüstern und
sah wie er auf eines der Pferde deutete, als dieses im selben
Moment scheute und mit seinem Reiter davon preschte.
Daraufhin riefen die Orks sich etwas zu. Einer von ihnen schaute
sich weiter um. Als er fast an der Stelle war, wo wir den einen
den Abhang hinunter gerollt hatten, murmelte Allanon wieder das
gleiche und zeigte auf den Schwarzpelz, der dann kurz zurückschreckte
und dann stehenblieb. Es folgte ein aufgeregter Wortwechsel.
Allanon war nicht zu bremsen. Als ein lauter Donner direkt aus dem Ork,
ertönte, zerbarst dessen Brustkorp und er brach sofort zusammen.
Aus Angst vor den Zaubern flüchteten die anderen vier.
Mindestens neun Schwarzpelze mußten noch aus dem Orklager folgen.
Den Donner hatte man sicherlich weit gehört. Daher weckten
wir Kyriani und den Verletzten, der nun ansprechbar war.
Schnell setzten wir uns auf unsere Pferde und ritten weiter.
Es wurde langsam wieder hell. Der Pass verbreitete sich allmälich
und der Wald wurde lichter. Um unsere Spuren zu vertuschen
wateten wir eine Weile durch einen Bach. Erst gegen mittag suchten
wir uns eine versteckte Stelle zum rasten, wo wir uns bis zum
nächsten Morgen ausruhen wollten.
(Fortsetzung hier)
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