Nachdem der Rondrageweihte gegangen war, keimte etwas Hoffnung in mir auf.
Vielleicht würden sich die Götter als gnädig erweisen und
ich doch noch von der Schuld freigesprochen werden. So verbrachte ich die
nächsten Stunden in inbrünstigem Gebet. Ich gelobte, daß
wenn ich das hier irgendwie überleben würde, mein Leben in den
Dienst Rondras stellen wolle, so ich denn von der Bruderschaft des Schwertes
aufgenommen werden würde.
Durch ein kleines Fenster konnte ich beobachten, wie mehrere Galgen errichtet wurden. Gegen morgen weckten mich Schritte aus meinem unruhigen Schlaf. Es kamen Wächter. Wen werden sie holen und hängen? Sie kamen in meine Richtung. Vielleicht ist es nun Zeit für mich zu sterben. Die Wächter schauten zwar kurz zu mir herüber, doch sie gingen vorbei, schlossen die Nachbarzelle auf und brachten einen der anderen Insassen fort. Wenig später sah ich, wie er gehängt wurde.
Die Praiosscheibe stand recht hoch am Zenit, als meine Zelle
aufgeschlossen wurde. Man brachte mich in eine andere Zelle, die
nach einer Verhörzelle aussah und kettete mich dort an. Keine
geringere als Arabel von Arivor, die Meisterin des Bundes der
Senne Westmark trat ein. Wäre es mir nicht durch die Ketten verwehrt
gewesen, hätte ich vor ihr niedergekniet. So konnte ich jedoch nur mein
Kopf neigen.
Es wurde dunkel und das Madamal erhob sich am Himmel, da hörte ich Alanons Stimme am Kerkerfenster, das direkt auf Bodenhöhe lag. Er fragte, ob ich Kara sei. Als ich bejahte und er meine Stimme erkannte, sagte er, sie würden mich da schon irgendwie rausholen. Ich entgegnete ihm, daß sie nichts Unbedachtes tun und es besser erst gar nicht versuchen sollten. Dann meinte er, er müsse gehen und war fort.
Ich fiel in einen unruhigen Schlaf, aus dem ich von den Schritten der
Wachen gerissen wurde. Bei ihnen waren zwei Rondrageweihte, was mich
verwunderte, da selbst die höchste Rondrageweihte dieser Senne,
nicht zu mir durfte. Meine Zelle wurde geöffnet und mir die Ketten
abgenommen. Einer der Geweihten bat mich, sie zu begleiten, was ich
natürlich tat. Sie führten mich aus dem Kerker hinaus und durch
die nächtlichen Straßen von Havena. So wurde ich nur in
Begleitung der beiden Rondrageweihten zum Rondratempel gebracht.
Sicherlich hätte so manch einer in dieser Situation eine Flucht
versucht... und sich so endgültig den Zorn Rondras zugezogen.
Doch in den letzten Tagen hatte ich viel Zeit zum Nachdenken
und eine Flucht wäre mir jetzt derart verachtungswert gewesen,
daß ich damit selber hätte nicht leben wollen.
Den Vorgang der Weihe selbst werde ich hier natürlich nicht schildern, das Wissen darum ist nur den Geweihten vorbehalten und ehedem ein Erlebnis, das man nicht in Worten fassen kann. Ich kann Euch jedoch versichern, daß dieser Moment mich nicht nur geprägt, sondern auch tiefhaltig verändert hat. Die Weihe ist das höchste Ereignis in meinem Leben und wird es wohl auch bleiben, denn was sollte die Präsenz Deiner Göttin in Deiner Seele zu spüren je Nahe kommen. Nachdem mir etwas Ruhe vergönnt wurde, wurde ich zurück zum Kerker begleitet. In meiner Zelle angekommen, wurde ich diesmal nicht angekettet, denn selbst den Wachen war unwohl dabei, einer Geweihten in Rondras Wappenrock Ketten anzulegen.
Nach einer Weile hörte ich Allanon wieder am Fenster.
Ich bat ihn zu gehen und nicht zu versuchen mich zu befreien,
da ich nicht mitkommen würde. Er schien nicht ganz meinen
Worten zu glauben oder anzuzweifeln, daß ich dies ernst
meinte oder nicht meinen Verstand verloren hätte. Darum teilte
ich ihm mit, daß ich nun Rondrageweihte sei und mir eine
Flucht undenkbar sei. Doch Alanon, der ja selbst nicht sehr
Gottesfürchtig ist, wollte das nicht wahr haben. Ich
befürchtete, daß er mich mit einem seiner Zauber doch
dazu bringen könnte mitzugehen und warnte ihn, daß ich ihm
so etwas nicht verzeihen könnte.
Verunsichert entschied er sich zu einem Kompromiß: Durch seine
magischen Kräfte bog er die Eisenstangen, die das Kerkerfenster
versperrten, soweit auseinander, daß ich hindurchgepaßt
hätte. Wenn ich mich doch noch anders entscheiden wolle, so
meinte er zu mir, könne ich so lange es dunkel sei noch fliehen
oder aber der Versuchung widerstehen und damit meine Loyalität
zu meiner Göttin beweisen. Dann ging er.
Die Sonne erhob sich gerade, als ich hinausgeleitet wurde. Der ganze
Platz war dicht gefüllt. Alle waren gekommen, um meine Hinrichtung
zu sehen. Ich achtete nicht auf den Spott und die faulen Tomaten, mit
denen ich beworfen wurde. Aufrecht und Würde wahrend versuchte ich,
wie es einer Geweihten wohl geziemt, erstieg ich die Stufen zum
Schaffot.
Es waren erst einige Stunden her, daß ich im Rondratempel gegen
Arabel von Arivor angetreten bin. Sie hatte mich in einem fairen Kampf
klar besiegt, wovon meine noch nicht verheilten Wunden zeugten.
Nun, dies sollte schließlich ein Gottesurteil sein und so war es
angebracht, daß ich einen weit überlegenen Gegner bekam.
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