Kara von Weiden (Kriegerin) - In Gefangenschaft

Es war fast ein Praioslauf verstrichen, seitdem ich in Havena des Mordes beschuldigt wurde. Ich hatte einige neue Informationen zu den Tathintergründen herausfinden können, doch wie das Schicksal nun einem mitspielt, sollte ich nicht mehr die Gelegenheit bekommen, den Mord aufklären zu können.
Meine Gefährten und ich waren kurz davor, die kleine Rondriga, die wir aus einer von Orks bedrohten Gegend geholt hatten, bei ihrer Familie nahe Winhall abzuliefern. Doch an den Toren Winhalls erkannte mich eine Stadtwache und ließ mich festnehmen.

Man führte mich in einen Raum, in dem man mich auf die Stadthälterin warten ließ. Als sie schließlich kam, stellte sie sich mir als Baronin Isora von Elenvina vor. Ich war überrascht. Wieso war sie Stadthalterin einer Stadt außerhalb des lieblichen Feldes? Sollte nicht Rondrigas Familie hier herrschen? War Rondriga dann hier noch sicher oder haben wir sie von einer Gefahr in die andere geschliffen? Die Gräfin meinte zwar, daß sie sich um Rondrigas Wohlergehen kümmern würde, doch ich hatte ich meine Bedenken, wie dies genau aussehen würde.
Nach der Anhörung wurde ich hinunter in den Kerker gebracht, wo ich in einer kleinen, stinken Zelle an Händen und Füßen festgekettet wurde.

Ich sah meinen sicheren Tod vor mir liegen und wollte meine letzten Stunden dazu nutzen, zu Rondra zu beten. Ich war mir sicher, daß sie mir nicht wohl gesonnen sein konnte, da meine Flucht mir alles andere als Ehre eingebracht hatte und ich auch bei der Aufklärung des Mordes jämmerlich versagt hatte. Ich betete zu Rondra, daß sie mir meine eitle Flucht vergeben möge und daß ich nicht dreist von ihr erwarten könne, daß sie dies auch täte, aber daß ich mein Verhalten zutiefst bereue.
Ab und an wurde mir ein wenig Wasser und ein fauliger Brotkanten in die Zelle geschoben, aber nicht immer reichten meine Ketten weit genug, um heran zukommen. Ich weiß nicht wieviele Stunden - oder waren es schon Tage? - vergangen waren, da schlich sich zu meiner Verwunderung eine kleine rote Katze zu mir. Ich war nie sonderlich an Haustieren interessiert, doch ich fühlte mich verlassen und nahm ihre Gesellschaft gern an. Sie verließ zwar des öfteren meine Zelle wieder, kehrte aber immer nach einer Weile wieder zurück.

Obwohl ich mich wegen der Ketten nicht hinlegen konnte, überkam mich der Schlaf.
Ich lief durch einen Wald, einen dichten Wald. Es war kühl. Irgendetwas war unheimlich. Nicht das leiseste Geräusch war zu vernehmen. Nur vereinzelt dringt Licht hindurch. Ich lief weiter und weiter durch die unnatürliche Stille. Irgendwann sah ich es weiter vorn heller werden und lief darauf zu...
Ich erwachte, doch der Schlaf hatte mir keine Erholung gebracht. Es war wie immer dunkel hier im Kerker. War es Tag? War es Nacht?
Wieder lief ich durch einen Wald. Es schien der gleiche unheimliche, dunkle Wald zu sein. Ich lief in die gleiche Richtung und auch diesmal sah ich nach einer Weile, daß es weiter vorn heller wird. Ich lief darauf zu. Durch die Bäume erkannte ich eine Lichtung und dort einen Holzhaufen. Es war wärmer und die Sonne schien. Als ich auf die Lichtung trat, erkannte ich, daß es sich um einen Scheiterhaufen handelte. Ein ärmlicher, alter Mann war dabei ihn aufzuschichten. Neben ihm lag ein Leichensack. Ich fragte ihn, was vorgefallen sei. Er antwortete mir: "Jemand wurde hingerichtet." Nachdem ich genauer nachfragte, wer es sei, entgegnete er mir: "Eine große Kriegerin".
Schweißgebadet wachte ich auf. Die Katze maunzte und kuschelte sich an. Nur schwer kam der Schlaf nun zu mir.

Ich wurde aus meinem unruhigen Schlaf geweckt, als die Wachen meine Zelle aufschlossen und mich hinausführten. Das helle Licht der Morgensonne blendete meine Augen, die nicht mehr daran gewöhnt waren. Ich wurde in einen Wagen gesteckt und erfuhr, daß man mich nach Havena bringen würde. Es war eng, doch durch die Bretter konnte ich zumindest ein wenig sehen. Kurz bevor der Wagen sich in Bewegung setzte, zwängte sich die Katze durch eine Ritze. Daß sie mich so lieb gewonnen hat, erstaunte mich auf ein Neues. Dankbar schloß ich sie in meine Arme.
Die Fahrt war holprig. Ich betrachtete die Landschaft, denn es würden die letzten Wiesen, Bäume und Bäche sein, die ich je sehen würde. Während der langen Stunden betete ich wieder zu Rondra.
Ich war wieder in dem Wald und irrte auf die Lichtung hinzu. Erneut trat ich hinaus, erblickte den Alten und fragte ihn. Wieder antwortete er, daß eine große Kriegerin hingerichtet worden sei. Ich erkundigte mich bei ihm, wer dies angeordnet hätte. Darauf entgegnete er, daß es die Isora von Elenvina gewesen sei. Beunruhigt fragte ich nach dem Namen der Kriegerin, doch den wisse er nicht, nur daß sie eine Mörderin gewesen sein soll... War ich das? Ich öffnete den Leichensack und blickte in mein Gesicht! Vor Schreck riß ich am Leichensack, da rollte mein Kopf hinaus.
Ich schrak auf. Mein Herz schien in lauter zu hämmern als die Hufe der Pferde.

Es wurde Abend und der Wagen hielt für die Nacht an. Den ganzen Tag hatte ich weder Wasser noch Brot bekommen. Hungrig sank ich irgendwann in einen unruhigen Schlaf und träumte:
Wald, finsterer, stiller Wald. Derselbe Wald. Irgendwann fand ich die Lichtung und trat hinaus. Wieder erfuhr ich von dem Alten das gleiche... Auch diesmal blickte ich entsetzt in den Leichensack und sah wie mein Kopf mir entgegen rollte. Im Delirium drehte ich mich um, wollte fassungslos fragen, wie lange es her sei, doch ich sah, wie der alte Mann mit seinem Schwert ausholte. Erstaunlich geschickt war sein Hieb, doch ich konnte mich hinwegducken. Als er erneut zuschlagen wollte, fragte ich ihn warum. "Ihr seid eine Mörderin. Ich muß Euch verbrennen.", antwortete er. Ich konnte noch einmal ausweichen. Ich hatte keine Waffe bei mir, daher versuchte ich, ihm zu entkommen und lief einen Hügel hinauf. Oben angekommen, blickte ich auf eine Stadt hinunter. Vielleicht war es Havena? Ich blieb stehen und drehte mich um. Der Mann war weg, doch unachtsam fiel ich in ein Loch... ein Grabloch.
Zitternd erwachte ich. Es war noch Nacht, alles war still und auch die Katze war verschwunden. Doch nach einiger Zeit kam meine getigerte Freundin zurück. Sie hatte eine Maus mitgebracht, die sie vor mich hinlegte. Diese Geste fand ich sehr lieb, doch schob ich sie ihr wieder zu. Ihr würde ihre Beute sicherlich besser munden als mir.

Schon in der Morgendämmerung ging es weiter. Auch an diesem Tag wurde bis zum Einbruch der Dunkelheit durchgefahren. Durst und Hunger plagten mich mehr als meine Glieder, die ich seit zwei Tagen kaum ausstrecken konnte. Auch wollte der Schlaf lange nicht zu mir kommen.
Wieder durchträumte ich den gleichen Traum. Erneut fiel ich in das Grabloch. Als ich in dem Loch lag, wurde mir bewußt, daß ich ein Totenhemd trug. Das ist mein eigenes Grab! Nein, so wollte ich nicht sterben und versuchte aufzustehen. Der Alte stand plötzlich mit einem Spaten am Grab und rief zu mir "Bleib liegen!". Doch ich konnte hinausklettern und rannte los. Ich rannte und rannte, doch ich kam nicht von der Stelle. Der Mann war wieder hinter mir. Er kam immer näher, während ich nicht weiter kam. Er hatte ein Schwert. Erstaunt stellte ich fest, daß ich nun ein Kettenhemd trug... aber ich hatte keine Waffen. Hätte ich ein Schwert gehabt, hätte ich mich ihm gestellt, doch so versuchte ich weiterzurennen. Er hatte mich eingeholt, doch er griff mich nicht an, sondern schien mich mit seinem Schwert zu weihen. Sprachlos ließ ich mich auf die Knie fallen und betete zu Rondra.
Dann wachte ich auf. Was hatte der Traum zu bedeuten? War das ein Zeichen, daß Rondra mein Leben in ihren Diensten einforderte? Doch würde wohl kaum eine verurteilte Mörderin in der Rondrakirche aufgenommen werden. In meinem Gebet versprach ich der Leuin, so ich dies hier überstehen würde und ein Orden mich aufnehmen würde, würde ich Rondra mein Leben weihen, so sie es denn wolle.

Lange saß ich da in Gedanken versunken, als ich plötzlich Geräusche und dann Tumult hörte. Die Spalten zwischen den Brettern ließen mich in der Nacht nicht viel erkennen. Ich meinte, ein lauter werdendes Prasseln eines Feuers zu vernehmen. Dann schrie jemand Alarm und weitere panische Stimmen wurden laut. Jemand machte sich an dem Schloß meines Verschlags zu schaffen. Pferdegetrappelt und eine Stimme - Kyrianis Stimme? - die einem anderen befahl aufzusitzen und abzuhauen! Viele Schritte kamen eilig angerannt, dann setzte sich der Wagen ruckhaft in Bewegung und die Fahrt wurde trotz Dunkelheit fortgesetzt.
Erst nachdem der ganze Tag ohne Halt durchgefahren wurde, hielt der Wagen gegen Abend. Das Schloß wurde geöffnet und ich wurde abgeführt. So fand ich mich im Kerker von Havena wieder.

Ich wurde in einen Verhörraum gebracht, in dem kurze Zeit später der Stadthalter von Havena, Hilko von Elenvina, trat, um mit mir zu sprechen. Er fragte mich, ob ich etwas zu meiner Verteidigung zu sagen hätte. Ich entgegnete ihm, daß ich meine Unschuld nicht beweisen könnte und ich nicht erwarten würde, daß er meinem Wort derart Glauben schenke, daß er mich frei ließe. Ich bat ihn jedoch, noch mit einem Rondrageweihten sprechen zu dürfen, was er mir gewährte. Dann wurde ich in meine Zelle geführt und wieder angekettet. Doch man gab mir zumindest Wasser und altes Brot, daß ich dankbar verschlang.

Tatsächlich wurde ein Rondrageweihter zu mir geschickt. Ich erzählte ihm alles, wie es wirklich vorgefallen war, daß ich meine Flucht, die ich damals im blinden Glauben tat, alles wieder ins Rechte rücken zu können, bereute und daß wohl nur Rondra mir glauben würde. Daraufhin meinte er, wenn dem so sei, könne er um ein Gottesurteil für mich bitten...

Kara, Copyright by Katja Guth



Die kleine Rondriga Das Schwarze Auge Karas Weihung