Allanon hatte dem sterbenden Luan sein Versprechen gegeben, dessen
Auftrag zu Ende zu bringen und ihm einen Brief in die Hände
gedrückt. All unsere Heilkünste kamen zu spät.
So begruben wir ihn und beteten, daß Rondra seine Seele in
ihrer großen Halle aufgenommen werden würde.
Der Brief stammte von keinem anderen als Raidri Conchobair, dem
Gewinner des letzten Donnersturmrennens!
Er schrieb darin, daß er sich mit dem Heer Weidens vereinen
wolle, um gemeinsam dem Einmarsch der Orkhorden Einhalt zu gebieten.
Doch wisse er seine Tochter, die sich derzeit in Greifenfurt
aufhalte, in aller größter Gefahr, denn auch Greifenfurt
würde bald von den Orks bedroht werden. Er bat darum, daß
seine Rondriga zu ihrer Familie nach Winhall in Sicherheit gebracht
werde.
Wir beschlossen daher gleich am nächsten Tag aufzubrechen.
So begaben wir uns auf den Weg zurück durch den Schlangenwald.
In der Nacht wurden wir wieder von Wöfen angegriffen...
das war allerdings nicht das Schlimmste: Eldridge hatte sich in
einen Wehrwolf (in Zwergengröße) verwandelt und griff
Allanons Maultier an! Wahrscheinlich wurde er im Kampf von
Samuel von Smulinvest verletzt und sich so den Fluch zugezogen.
Keiner von uns brachte es über sich, Eldridge anzugreifen.
Er war immer ein treuer Freund gewesen.
Allanon stellte sich ihm zwar in den Weg, um sein Maultier zu
schützen, doch Eldridge griff ihn nicht an. Da aber mittlerweile
andere Wöfe sich in dem Maultier verbissen hatten, gab Allanon
auf. Eldridge schlug seine Zähne in das Tier, riß Fleisch
heraus und verschlang es roh und blutend. Nachdem das Rudel
gesättigt schien, verschwandt es zusammen mit Eldridge im Wald.
Als wir am Morgen unser dürftiges Nachtlager abbrachen, stieß
Eldridge, der nun wieder wie ein ganz normaler Zwerg aussah, aus dem
Wald zu uns. Er meinte, er könne sich an nichts erinnern und
packte ebenfalls seine Sachen zusammen.
Den Schlangenwald hinter uns lassend kamen wir wieder in Fabiles an...
oder viel mehr in das, was von Fabiles übrig war. Alles war
niedergebrannt. Es war noch nicht lange her, das Holz schwelte noch
und der penetrante Gestank von verbranntem Fleisch hing über dem
Ort. In einigen der herumliegenden Leibern steckten Orkpfeile.
Wir beschlossen daraufhin, uns zu teilen. Sheela und Schleicher
gingen weiter nach Angbar zurück, um dem Grafen von Edwinstein
von dem Wehrwolfsfluch, der auf seinem Bruder lag und natürlich
auch von seinem Tod zu berichten. Eldridge, Allanon, Kyriani und ich
brachen direkt nach Greifenfurt auf.
Vor Nachtanbruch fesselten wir Eldridge an einen Baum, damit er nicht
Unheil anrichten konnte. Da wir uns recht sicher waren, daß
wir wieder von Wölfen aufgesucht werden würden und wir
so wie so schon alle Maultiere verloren hatten ( Allanon nahm es
Eldridge doch persönlich, daß dieser sein Maultier
gefressen hatte), kletterten auf Bäme, um dort die Nacht
zu verbringen. Da dies recht unbequem war, sollte der Schlaf erst
recht spät kommen und leider auch nicht recht lange wehren,
denn die Wöfe kamen. Als Eldridge sich verwandelte, begann
er verrückt zu spielen. Allanon konnte bald nicht mehr mitansehen,
wie sich Eldridge an seinen Fesseln zerrte und dabei sich verletzte.
Daher trennte er die Fesseln durch ein magisches Feuer entzwei.
Eldridge schloß sich dem Rudel an und lief den Mond anheulend
mit ihnen fort.
Uns war klar, daß es nicht so weitergehen konnte. Irgendwie
mußten wir Eldridge davon befreien. Doch war das überhaupt
möglich? Jede Nacht die wir näher an Greifenfurt waren,
war uns bewußter, daß Eldridge auf keinen Fall nachts
noch in der Stadt oder in der Nähe eines Ortes sein durfte.
Wir konnten nur beten, daß er bisher noch keinen Menschen
angefallen hatte. In den darauffolgenden Nächten verließ
Eldridge noch vor seine Umwandlung unser Lager, um uns nicht zu
gefährden.
Unser Weg führte uns entlang der Breite. Nach einigen Tagen
hatten uns Schleicher und Sheela eingeholt, die mit einem Schiff
auf der Breite entlang fuhren. Das Schiff war voller Soldaten,
die auf dem Weg zu ihrem Einsatz gegen die Orks waren.
Als am nächsten Tag abends ankamen, waren die Tore nach
Greifenfurt bereits geschlossen und wir errichteten unser
Nachtlager neben den Toren. Auch in dieser Nacht verließ
uns Eldridge... doch am nächsten Morgen tauchte er nicht
auf. Wir trennten uns. Allanon und ich gingen in die Stadt, um
Raidri Conchobairs Tochter zu finden und rechtzeitig aus der
Stadt zu holen. Die anderen begaben sich auf die Suche nach Eldridge.
Es mußte bestimmt den Oberen der Stadt bekannt sein, daß
sich die Tochter einer so hohen Persönlichkeit in der Stadt
aufhielt, denn gewiß war sie bei einem von ihnen in Obhut.
So gingen wir direkt zum Stadtherren und legten ihm den Brief
vor und berichteten, daß Allanon sein Versprechen dem
sterbenden Luan gegeben hatte.
Kaum hatte die Praiosscheibe den Zenith erreicht, waren wir
mit Rondriga, ihrem Pony, zwei Tralloper Riesen und einem Karren
zum Aufbruch bereit. Doch noch immer kein Zeichen von Eldridge.
Wir wußten nicht genau, wie weit die Orks noch entfernt
waren und wieviel Zeit uns noch blieb, so brachen wir nach
erfolgloser Suche am frühen Nachmittag auf und ließen
Eldridge mit der Hoffnung zurück, daß er wußte,
daß unser Weg uns nach Winhall führte und wir ihn
dort vielleicht wieder treffen würden.
Unsere geplante Route verlief auf der Straße nach Westen
bis zum Turan See. Dort würden wir uns östlich
des Sees nach Süden wenden und den Handelsweg nach Winhall
nehmen.
In der zweiten Nacht, seitdem wir aus Greifenfurt aufgebrochen waren,
wurden wir von verwundeten Soldaten aufgeschreckt. Sie berichteten
uns, daß all ihre Kameraden im Kampf gegen die Orks gefallen
wären. Am Tage darauf spähte ich voraus und sah in dem
großen Talkessel zwischen den Koschbergen und dem Finsterkamm
die orkischen Truppen. Soweit das Auge reichte, waren Orkzelte
errichtet. Es mußten Zehntausende sein!
Ich kehrte um und berichtete meinen Gefährten, daß wir
einen anderen Weg nehmen müssen, um das Orklager weitläufig
zu umgehen. Wir eilten in die letzte Ortschaft zurück, um uns
nach anderen Möglichkeiten zu erkundigen. Dort erfuhren wir,
daß es nur einen für uns in Frage kommenden Weg gäbe,
auf dem wir, wenn wir unsere Pferde nur an den Zügeln führen
würden, diese nicht zurücklassen müßten und keinen
zu großen Umweg bedeutete. Also verkauften wir unseren Karren,
was sich nicht mehr als einfach erwies, denn zurecht waren die Einwohner
bei der Kunde, daß die Orks in der Nähe waren, dabei das
Dorf zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen.
So schlugen wir also einen schmalen Weg Richtung Süden ein, der uns
in die niederen Ausläufer des Koschgebirges führen würde. Dort
würden wir nach Westen auf die andere Seite des Gebirges gelangen
und einem kleinen Fluß folgen bis wir auf die Straße, die
Gratenfels mit Winhall verbindet, treffen und Winhall vom Süden her
erreichen.
Zwar beklagte sich die kleine Rondriga darüber, daß sie nicht
auf ihrem heißgeliebten Pony reiten durfte, doch ansonsten war sie,
den Zwölfen sei Dank, kein verzogenes Gör und ertrug die Strapazen
recht gut.
Wir hatten die ersten Ausläufer des Gebirges bereits hinter uns gelassen,
da hörten wir das Weinen von Kindern. Nicht weit fanden wir zwei kleine
Kinder, die sich verängstigt hinter einem Felsvorsprung versteckten.
Es war nicht einfach, sie soweit zu beruhigen, daß sie uns erzählen
konnten, was geschehen sei. Unter vielem Schluchzen erfuhren wir jedoch,
daß ihre Mutter von Orks angegriffen worden sein mußte.
Sheela und Rondriga sollten bei den Kindern bleiben, während wir anderen
in die Richtung eilten, in die diese uns gedeutet hatten. Schon bald
hörten wir das verzweifelte Schreien einer Frau. Und dann sahen wir
das Geschehen: ein noch brennendes Dorf und eine Gruppe von Orks, die
grölend um ein Loch im Boden herum standen, aus dem die Schreie kamen.
Wir griffen an. Bald lagen die ersten Orks am Boden. Doch dann bekam ich
einen Schreck. Ich sah Rondriga, die zurück in Sicherheit hätte
bleiben sollen und ich sah, wie ein Ork auf sie zu rannte. Ich wendete mich von
meinem Gegner, um ihr zu Hilfe zu eilen. Dann hob sie eine Hand und deutete auf
den Ork, der daraufhin zurückzuckte und stehen blieb. Zusammen mit einem
meiner Gefährten erreichte ich den Ork und wir töteten ihn.
Zwar erwies sich Rondriga durch die für ihr Alter schon erstaunlichen
magischen Fähigkeiten als hilfreich, doch war mir dabei gar nicht wohl.
Als der letzte der Schwarzpelze gefallen war, befreiten wir die Frau aus
ihrer Lage. Bis auf ein paar minderen Verletzungen war ihr nichts
zugestoßen. Sie erwies sich als die Mutter der beiden Kinder, die wir
im Wald gefunden hatten. Nur wenige, der am Boden liegenden Dorfbewohner
lebten noch. Wir versuchten ihnen so weit wir konnten zu helfen. Der Vater
der Kinder war tod. Doch das traurigste war der Anblick der getöteten
Dorfkinder.
Wir konnten hier nicht mehr tun und so zogen wir weiter, nachdem ich Rondriga
zurechtgewiesen habe, daß ich ihren Mut und ihre Fähigkeiten
zwar bewundere, doch daß es trotzdem zu gefährlich für sie sei,
sich in einen solchen Kampf einzumischen.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir das Flußtal auf der
anderen Seite der Berge. In einem kleinen Dorf kamen wir für die Nacht
unter. Allanon bandelte mit einem jungen Mädchen an und lieh sich von
ihrem Vater ein Boot aus, nur daß der Vater nichts davon wußte,
weder von dem Anbandeln noch von dem Ausleihen. Ich versuchte ihm
klarzumachen, daß es nicht die richtige Art sei, die augenscheinliche
Unerfahrenheit und Blauäugigkeit des Mädchens auszunutzen. Erst
als er mir versprach, das Boot wirklich wieder zurück zu bringen,
ließ ich mich breitschlagen.
In dem Dorf war noch keine Kunde von den Orks zu hören, doch wollten
wir vorsichtig sein und die Möglichkeit, daß die Orks in der
Nähe sein konnten, nicht außer Acht lassen. So entschieden wir,
daß Rondriga auf dem Boot sicherer sei, als auf dem Landweg.
Ihrem Protest, sie würde lieber wieder auf ihrem Pony reiten, gaben
wir jedoch nicht nach. Das heißt jetzt noch nicht. Denn Schleicher und
Sheela, die ebenfalls auf dem Boot waren, stritten ununterbrochen. Daher gaben
wir dann bei der nächsten gemeinsamen Rast doch nach.
So ritten also Kyriani, Rondriga und ich am Flußufer entlang. Der
Weg entfernte sich mal vom Fluß und kam wieder näher heran.
Wir hatten zwar ausgemacht, daß diejenigen, die voraus waren, gegen abend
auf die anderen warten sollten, um gemeinsam ein Lager aufzuschlagen, doch
bald entfernte sich der Weg immer weiter vom Fluß, so daß wir
den Sichtkontakt bald ganz verloren. Als der Weg wieder zum Fluß
zurückkehrte, waren die anderen nicht in Sicht. Die Sonne senkte sich.
Wir dachten, daß wir auf dem Land, da der Weg viele Biegungen machte
und wir wegen des Ponys nur langsam ritten, langsamer vorangekommen seien
als unsere Gefährten auf dem Boot. Doch es wurde dunkel und wir hatten
sie nirgends gesehen. Also schlugen wir unser Lager auf.
Am morgen warteten wir noch eine ganze Weile, falls sie doch noch hinter uns
gewesen sein sollten. Dann brachen wir auf. So kamen wir also getrennt
vor den Toren Winhalls zur Mittagsstunde an. Was dann jedoch geschah,
soll eine weitere Geschichte sein...
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