Kultur und Handwerk

  Feen leben fast ausschließlich in der Gruppe. Der Zusammenhalt in der Gruppe ist außerordentlich stark, was nicht weiter verwunderlich ist,

wenn man bedenkt, daß eine Fee allein sich auf Dauer nicht sonderlich gut der verschiedenen Jäger erwehren könnte. Selbst wenn Feen dazu in der Lage sind (man hat schließlich auch schon von Feen gehört, die als  Einsiedler in den  Wäldern leben), so entspricht dies eigentlich nicht ihrem Wesen - sie ziehen die Gemeinschaft vor. So ist es auch eine gebräuchliche  Strafe für Feen, sie zu verstoßen. So müssen sie eine vorgegebene Zeit außerhalb der Gruppe verbringen. Dies hat zum einen den kurzfristigen Erfolg, daß die Gruppe sich des Übeltäters entledigt hat und weiterhin den erzieherischen Wert, daß der Verstoßene die Gemeinschaft wieder neu zu schätzen lernt.

Es muß schon etwas ganz besonderes passieren, eine Fee fern von ihrem Volk entfernt zu treffen. Nur selten wird eine Fee von der  Abenteuerlust gepackt und zieht für ein paar Jahre in die Welt, obwohl Feen von Natur aus als neugierig zu bezeichnen sind. Ihre Neugier steht fast schon im Widerspruch zu ihrer  Scheu. So sehr sie sich auch

vor fremden Lebewesen zurückziehen, so fasziniert sind sie auch von ihnen. Besonders die jüngeren Feen können ihre Neugier oft nicht verbergen. Dann sind es die älteren und weiseren unter ihnen, die die Abgeschiedenheit veranlassen und sichern. Sie wissen viel über die Vergangenheit des Volkes, denn das geschichtliche Wissen wird von einer alten Generation zur nächsten Generation weitergegeben. Insofern gesehen haben Feen eine ausgesprochen lange  Kindheit, die ein halbes Leben dauern kann. So lange brauchen sie sich nicht mit den Hintergründen des Lebens und dessen Geheimnisse belasten. Auch wenn sie schon lange körperlich voll ausgebildet sind, genießen sie ein unbeschwertes Leben in der Gemeinschaft.

Neben der Verbindung der Gemeinschaft gibt es nur noch eine

Verbindung, die dem an Tiefe und Innigkeit nicht nachsteht: die Beziehung zwischen männlichen und weiblichen Feen. Auch Feen messen der  Partnerschaft besondere Bedeutung zu - was wohl den Gesetzen der Fortpflanzung entsprechend ganz im Sinne der Natur liegen muß. Die Fortpflanzung ist analog zu der von Menschen - allerdings dauert es viel länger, bis sich zwischen Feen eine innige Beziehung entwickelt. So kommt es relativ selten vor, daß zwei Feen beschließen, sich auf ewig zu binden. Dem geht meist eine Jahrelange Freundschaft voraus, in der die Beteiligten prüfen, ob der Bund wirklich so stark werden kann.

Sexualität tritt in der Partnerschaft in den Hintergrund. Viel wichtiger als die körperliche Vereinigung ist den Feen die geistige Vereinigung, die

sonst nur die Elfen im  Salasandra kennen. Während sich dort nach einer stundenlangen Art von Meditation die Geister zu einer höheren Wesenheit erheben, erreichen Feen diesen Zustand durch die Vereinigung in ihrer  Sternenschweifform. In Abschnitt [*] wurde bereits erwähnt, daß es sich dabei um eine Art von astraler Energie handelt. Bei der Vereinigung verschmelzen die beiden Beteiligten zu einem einzigen Leuchtpunkt, was von beiden als unvergleichliches Ereignis empfunden wird. Das Individuum hört für einen Moment auf, zu existieren und an dessen Stelle tritt die Partnerschaft. Man kennt einander wie sich selbst, weiß, was der andere fühlt und empfindet, weil der andere Teil von einem selbst ist. Eine solche Vereinigung ist extrem selten, da sie nur bei einer derart innigen Partnerschaft praktiziert wird - die ihrerseits nicht allzuoft anzutreffen ist. Feen scheuen sich dennoch nicht, sich derart zu vereinigen, wenn Zeugen anwesend sind. Die erste Vereinigung wird auf dem Hochzeitsfest vor der gesamten Gesellschaft vollzogen und kann bis zu einer Stunde dauern. Diese Erfahrung ist für beide Teile völlig neu und es gibt viel aneinander zu ergründen. Weitere Vereinigungen sind jedoch selten, und vielmals suchen die Partner dafür abgeschiedene Orte auf, an denen sie sich sicher fühlen.

Feen, die nicht durch die Gefahren des Lebens umkommen, suchen nach

Berichten vielfach den Tod während dieser  Vereinigung, wenn sie merken, daß ihre Zeit gekommen ist oder einer der Partner widernatürlich stirbt. Bevor sich ein Paar entzweien läßt, ziehen die lieber den gemeinsamen Tod vor. Sie leiten den Tod dadurch ein, daß sie schlicht so lange wie möglich in der körperlosen Form verweilen, bis die Energie völlig aufgezehrt ist. Da die Individuen völlig aufgegeben werden, vereinigen sich gewissermaßen auch deren Lebens- und arkanen Energien, sodaß beide dem Schicksal im gleichen Moment erliegen. In weniger kritischen Fällen, wie Verletzungen oder Verlust an Energie, kann duch die Vereinigung auch ein Partner dem anderen die Verluste lindern, indem die Energie von einem zum anderen wandert. Auf diese Weise können sogar tödlich verletzte Feen noch von ihrem Partner gerettet werden[*], der seine eigene Energie für den Lebensgefährten hergibt, so denn beide noch die Vereinigung herbeiführen können[*]. Ein Mensch wird verständlicherweise nie ergründen können, was man dabei empfindet und so müssen wir unser Wissen aus den wenigen Berichten von Feen stützen.

Haben sich zwei Feen nun gefunden, den Bund für das Leben geschlossen und genießen das Wohlwollen der Gemeinschaft - im

übrigen konnte nicht ein einziger Fall beobachtet werden, in dem dieser Bund nicht wirklich das ganze Leben hielt - so entschließen sie sich meist früher oder später für Nachwuchs.  Feenkinder werden so wie Menschen- oder Elfenkinder geboren. Sie können noch nicht fliegen. Dies ist also kein angeborener Reflex, sondern ein Lernprozeß, der im Alter von 12 bis 15 Monaten einsetzt. Für die Kinder wird die Bindung zur Gemeinschaft bereits in den ersten Lebensjahren stärker als die Verbindung zu den Eltern. Nur so kann der soziale Zusammenhalt auch über Generationen bewahrt werden. Die Erziehung obliegt also der Gemeinschaft, beziehungsweise den Ältesten, die ihre Lebenserfahrung auf diese Weise weitergeben können. So sind es die Ältesten, die den stärksten Einfluß auf die Kinder haben.

Überhaupt sind es die Älteren, die ein Feenvolk führen. An der Spitze steht ein  Ältester oder eine Älteste, die von den übrigen als Kopf des

Volkes respektiert wird. Nach einigen Jahren überläßt der Älteste dann häufig den Führungsplatz freiwillig, um einem jüngeren Platz zu machen, und tritt nur noch beratend in Aktion. Dieser Älteste hat eine umfassende Autorität, die er nur selten gebraucht. Nur wenn Entscheidungen zu fällen sind, die das Wohl des gesamten Volkes betreffen, oder wenn es gilt, einen Sünder zu bestraften, treten sie in Aktion. Berichte über einen  König der Feen muß man mit Vorsicht begegnen. Da viele Feenvölker nichts voneinander wissen, scheint es

fragwürdig, ob ein König überhaupt existieren kann. Es muß angenommen werden, daß diese Berichte der menschlichen Interpretation entstammen, wonach man einen Ältesten eines großen oder auch mehrerer Völker als König aller Feen auffaßt. Diese Überlegung wird dadurch bestärkt, daß diese Annahme ja auch nicht unzutreffend ist. Wenn ein Ältester der Führer eines oder mehrerer benachbarten Feenvölker ist, und man von der Existenz anderer Völker nicht weiß, so kann man zum Schluß kommen, daß der Älteste durchaus Oberhaupt aller Feen ist. Einen allumfassenden  König aller Feen jedoch wird es wahrscheinlich nicht geben.

Handwerklich sind Feen äußerst geschickt. Die Fertigung der  Kleider ist ein sehr ausgefeiltes Handwerk.  Kleider werden aus dem gefertigt, was gerade erreichbar ist. Erste Wahl ist natürlich  Bausch, das die Feen ebenso wie die  Elfen zu verarbeiten wissen. Da die benötigten Mengen außerordentlich gering sind, hat man auch selten Probleme mit der Verfügbarkeit. Aus diesem Material, das sich durch seine Wasserfestigkeit auszeichnet, schneidern die Feen geschickt Hemden und Beinkleider in bunten Farben. Die Farben entnimmt man ebenfalls der Natur, also Beeren, Gräsern oder Früchten. Insgesamt wird je nach Region und Vegetation fast die gesamte Farbpalette ausgeschöpft. Ist kein  Bausch verfügbar, oder ist das Klima sehr kalt, greifen Feen auch zu Materialien wie Leder oder  Pelz.

Die verarbeiteten Tiere werden nicht ausschließlich zur Fellgewinnung gejagt. Aus Knochen werden  Messer, Pfeilspitzen oder Musikinstrumente gefertigt oder zu Knochenmehl verarbeitet, Fett und Blut werden als Klebemittel gebraucht und aus Därmen stellt man Wasserschläuche her. Sehnen werden natürlich auch zum  Bogenbau gebraucht. Lediglich das Fleisch bleibt ungenutzt.

Hier führt die Größe der bejagten  Pelztiere zu einer erlesenen Qualität der  Pelze. Man jagt Maulwürfe und Eichhörnchen, Marder und  Katzen. In jedem Falle zeichnen sich die Ausgangsmaterialien durch ihre Weichheit und Wärmespeicherkapazität aus. So sind auch die geschneiderten  Kleider von erheblicher Schönheit und Funktionalität. In besonderen Fällen, wo weder das eine noch das andere Material vorhanden sind, greifen die Feen auch auf einfachere Materialien wie Hanf oder Leinen zurück, oder fertigen ihre  Kleider gar aus Gräsern, Blättern oder Baumrinde. In jedem Falle wird das Kleidungsstück nach Möglichkeit reich verziert.

Auch in der Schmuckherstellung sind Feen ausgezeichnete Handwerker. Fast alle Materialien, die der Lebensraum hergibt, werden

zu  Schmuck verarbeitet, der dann an Ohren, Hals, Händen oder Fußgelenken getragen wird. Vielfach werden so auch die  Kleider verziert.  Blütenfeen bilden hier eine Ausnahme, denn sie bevorzugen als einzigen Schmuck Blüten der vorhandenen Blumen und verzichten auf künstlich hergestellte Verzierungen. Sonst genießen Feen die Verzierung, die zugleich recht schlicht und doch bezaubernd ist.  Gold oder andere Edelmetalle als Material können Feen nur sehr selten bekommen, da sie es nicht selbst abzubauen vermögen, obwohl sie besonders reines  Gold und Silber als leicht zu verarbeitende Materialien sehr schätzen. Diesbezüglich von einer Gier nach  Gold, ähnlich wie bei Zwergen oder  Drachen zu sprechen, wäre weit übertrieben, denn man sollte sich die Größenordnungen vorstellen, wieviel Edelmetall eine Fee benötigt, um einen Ring oder einen Ohrbehang für sich oder ihre Freunde herzustellen. Die Mengen sind so verschwindend gering, daß jene, mit denen wir Menschen uns abgeben, für sie unermeßlich groß sind. Weiterhin wird  Gold als Rohstoff zwar geschätzt, doch im Werteempfinden der Feen ist es nicht so hoch eingestuft wie bei Menschen, geschweige denn wie bei Zwergen. So wird man eine Fee wohl kaum mit viel  Gold ködern können.

Die künstlerische Begabung, die allen Feen angeboren ist, tritt auch in dem bezaubernsten Ereignis zutage, das man bei einer Fee beobachten

kann: das Tanzen. Feen bewegen sich so voller Anmut, daß viele Menschen schon, die einer Fee beim Tanz zugesehen haben, sich in dem Tanz verloren. Stundenlang kann man ihnen zusehen, ohne daß einem langweilig wird. Die Figuren wiederholen sich und wechseln in unstetem Muster ab. Einige Gelehrte wollen in dem Tanz der Feen eine hypnotisierende Wirkung bemerkt haben. Der hypnotisierte Betrachter scheint seine gesamte Umgebung zu vergessen, nur noch den anmutigen Bewegungen der Fee folgend. Diese beruhigende Wirkung kann bei fast allen intelligenten Lebewesen bemerkt werden, wobei eine individuelle Anfälligkeit nicht zu bemerken ist. Vielmehr hängt es von dem augenblicklichen Gemütszustand des Betrachters ab, und wie bereitwillig er sich der Schönheit hergibt. Es gehört schon viel dazu, einen rauflustigen Ork so zu faszinieren, daß er sich im Tanze der Fee vergißt. Auch bei Tieren kann man ähnliche Wirkung bemerken, wenn auch in weniger starkem Maße. Scheinbar sind weniger intelligente Lebewesen weitaus weniger dazu bereit, sich ganz der Schönheit des Augenblicks hinzugeben.

Bei Festen der Feen wird stets viel getanzt, wodurch Menschen, die Augenzeugen solcher Ereignisse werden durften, stets vor soviel Anmut

förmlich dahingeflossen sind. Nach solchen Erlebnissen berichteten alle von einem Gefühl der inneren Ruhe und Zufriedenheit. Ein wenig von der Harmonie der Feen ist auf den Betrachter übergegangen. Bei solchen Festen trifft man auch oft auf Feen in ihrer  Sternenschweifform. Es ist unklar, welche genaue Bedeutung dies für das Feenvolk hat, doch scheinbar ist es für einige Rituale unabdingbar. Die gesamte Bedeutung der Feste wird sicherlich noch lange im Unklaren bleiben, denn nur wenige Menschen haben je von derartigen Ereignissen berichtet und Feen berichten nicht sehr oft über solche Ereignisse.

Als auffällig können einige Parallelen gewertet werden, die man zwischen den  Festen der Feen und den Festen der  Hexen ziehen

konnte. Die Hexen verehren Satuaria - die einst einem Ei Sumus entschlüpfte. So entstand Legenden zufolge die besondere Naturverbundenheit der Hexen. Die Naturverbundenheit kann hier auch als Verbindung zwischen Hexen und Feen angesehen werden, wie sie auch Feen und Elfen verbinden mag. Hexen und Feen weisen aber noch mehr Parallelen auf. Die enge Verbindung, die Elfen nur im  Salasandra erfahren (siehe [2] S. 35), können Hexen wie Feen nur in ihrer körperlichen Manifestation erreichen. Die extatischen Feste der Hexen dienen dazu ebenso wie die überschwenglichen Feste der Feen. Tatsächlich konnte man weitere Paralleln in einigen bei solchen Festen dargebotenen Ritualen ziehen, die sich auf geradezu unheimliche Weise ähneln. Insbesondere einige geflogene Rituale der Hexen sind fast identisch mit solchen, die man bei Feen in ihrer Sternenschweifform beobachten konnte. So muß der Schluß als zulässig betrachtet werden, daß die frühe Kultur der Hexen Kontakt mit Feen hatte, wobei die Rituale der Feen übernommen wurden. Die Flugsalbe der Hexen war womöglich die einzige Möglichkeit für die Hexen, an den Festen in angemessener Form teilnehmen zu können.

Die Verschlossene Gesellschaft der  Hexen ist es, die zur Wahrscheinlichkeit dieser Verbindung beiträgt. Sind es nicht die Hexen, die oftmals von anderen Menschen ausgegrenzt, gefürchtet und verachtet werden? Diese Außenseiterposition macht deutlich, warum kein Wissensaustausch zwischen Hexen und Menschen zustande kommt und so das Geheimnis über die gemeinsame Vergangenheit von Hexen und Feen gewahrt wird. Man muß allerdings davon ausgehen, daß diese Gemeinsamkeiten mehr in der Vergangenheit zu finden sind, denn in der Gegenwart, denn die Kultur der Hexen hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Aus überschwenglicher Freude wurde extatische Leidenschaft - aus der sozialen Bindung wurde ein Kult. Hexen verehren Satuaria als Göttin, während Feen keine Götter kennen. Alles deutet darauf hin, daß sich Hexen und Feen entfernt haben, als die Hexen mehr und mehr dazu übergingen, unter Ihresgleichen zu bleiben. Nichtsdestotrotz kann es bei seltenen Hexengruppen dann und wann durchaus zu Kontakten mit den Feen kommen...

Eine weitere handwerkliche Kunst, die man bei Feen trifft, ist die Baukunst. Feen wohnen in recht schlichten  Behausungen. Wenn möglich,

bevorzugt man den Schutz von Astlöchern, verlassene Baus von anderen Baumbewohnern oder Symbionten der Bäume, wie zum Beispiel Misteln. Auch machen sie verlassene Nester von Vögeln nutzbar. Nur wenn es nicht anders geht, bauen Feen ihre Hütten selbst. Dabei handelt es sich wieder regional verschieden um nestartige Gebilde, deren Baumaterial von Gras und Ästen durchaus bis hin zu Lehm oder Tonziegeln variiert. Besonders in durch Vögel gefährdete Gebiete werden die beiden letzteren Materialien zur Verstärkung benutzt. Ein so mit Ton und Ästen oder Stoffmaterialien verstärktes Haus übersteht auch einen Sturz vom tragenden Baum ohne größeren Schaden. Die Feen machen sich geschickt die physikalischen Gesetze zunutze, indem die Festigkeit durch die geschilderten Verbundstoffe und die Stabilität kleiner Rundungen und Kanten optimal genutzt wird. Dabei handelt es sich nicht um instinktives Verhalten, so wie beispielsweise Vögel ihr Nest nach bestimmten Kriterien bauen, sondern um eine im Laufe der Generationen erlernte und weitergegebene Errungenschaft.

kopfüber, copyright KatjaGuth


Rene Tschirley
2/13/1998


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